Wenn Unsicherheit auf Prekarisierung trifft

Was tun, wenn man aus einem bestimmten Grund, für den man angeblich nichts kann, einfach so gekündigt wird? Was tun, wenn man dadurch völlig aus den Fugen zu geraten scheint? Genau dies versucht Dirk Laucke in seiner Posse „Nur das Beste“, welches am Theater Freiburg zu sehen ist, herauszufinden ist.

„Na toll, eine Kündigung!“ lauten die ersten Worte von Ludi’s Frau Sanne, die es nicht nachvollziehen kann, warum ihr Mann nicht rechtzeitig dafür sorgen konnte, dass die Miete rechtzeitig überwiesen wurde. Doch die Gründe dafür könnten auch woanders liegen, vielleicht im teils stark zerrütteten Verhältnis, welches die beiden zueinander pflegen, vielleicht aber auch aufgrund der Selbstständigkeit Ludi’s, schließlich lässt sich als Karrikaturist zwar gut verdienen, jedoch ist man hier beruflich nicht wirklich abgesichert. Und so trifft in diesem Stück die Unsicherheit über eine gemeinsame Zukunft auf die unersichtliche Prekarisierung, der Ludi ausgesetzt scheint.

Schauspielerisch ist das Stück, welches nach der Corona-Pause am Theater Freiburg seine Uraufführung hatte, über jeden Zweifel erhaben! So sticht aus einem stark aufspielenden Ensemble vor allem Martin Hohner heraus, der die Rolle des Ludi eben dieses Gefühl, der Unsicherheit und Prekarisierung ausgesetzt zu sein und Probleme mit seiner Frau zu haben, nahezu perfekt auf die Bühne bringt. Er ist es, der das Stück in seiner gut 90-minütigen Laufzeit scheinbar mühelos trägt und die Thematik des Stückes erst so nahbar macht. Neben Hohner sei noch die ebenfalls großartig aufspielende Elisabeth Kopp, die man auch noch in ihrer Rolle als Maria Stuart in der gleichnamigen Freiburger Inszenierung des Stückes kennt, zu erwähnen. Sie ist – und das bekommt der Zuschauer gleich zu Beginn des Stückes zu spüren – der Gegenpol zum zweifelnden Ludi. Sie erkennt im Gegensatz zu ihm den Ernst der Lage und versucht nicht nur ihm, sondern auch ihren Freunden Stéfan und Larissa immer wieder deutlich zu machen. Das Spiel von Kopp ist anziehend, als würde man selbst in dieser Situation drinstecken und Ludi vermitteln wollen, worin er sich da gerade befindet. Sanne ist diejenige, die immer wieder probiert, „nur das Beste“ aus der Situation herauszuholen. Tim-Al Windawe und Iris Becher spiegeln mit einer sichtbaren Lockerheit und gleichzeitig auch einer stark erkennbaren Seriosität mit ihren Charakteren Stéfan und Larissa zum einen den reichen Spießbürger, der immer wehklagender auf die Gesellschaft herabblickt, und zum anderen die Freunde, die dem anderen aus der Misere helfen wollen und dabei den Blick fürs Ganze nicht verlieren, wieder. Kurzum: es ist ein größtenteils ein Traum, den beiden auf der Bühne zuzusehen! Zu guter Letzt sei neben den grandios aufspielenden Holger Kunkel als Ludi’s und Sanne’s neuen Vermieter Jan, der vor allem durch seinen „Klavier-Pulli“ und dem verblüffend gut dazu passenden Schal auffällt, und Moritz Peschke als dessen Frau Isi noch der einzigartige Henry Meyer in seiner Rolle des Kioskbesitzers Murat genannt. Er zeigt uns auf eine ebenfalls unterhaltsame, aber auch verrückte Art und Weise, den Menschen, der sich einerseits während eines Ausfluges mit Ludi, die einer der unterhaltsamsten Szenen des ganzen Stückes ist, indirekt über Leute aufregt, die unsparsam mit ihren Daten umgehen (Stichwort: Handy), auf der anderen den Menschen, der mit dem Verlust seines Kiosk dasselbe Schicksal wie Ludi ereilt und im Gegensatz zu ihm eher mit seiner Lage klarzukommen scheint als sein Freund.

Ragen bei diesem Stück heraus: Martin Hohner (2. von links) und Elisabeth Kopp (1. von rechts) / Foto: Laura Nickel

Die Art und Weise, wie das Stück aufgezogen ist, gleicht einem Siegeszug durch die Lehrbücher, wie man solche Stoffe zu inszenieren hat! Nicht zu aufdringlich, nicht zu konstruiert und vor allen Dingen: nicht zu vorhersehbar! Die Thematik, hier in den meisten Spielpausen im Hintergrund einen verwirrten Igel, der auch im Stück selbst eine tragende Rolle spielt, darzustellen, ist genial! Er repräsentiert genau das, was die beiden Protagonisten in der gesamten Inszenierung durchleben: ein schleichendes, unsicheres Leben, ungewiss darüber, was sie als nächstes erwartet. Dieses Leben gibt unser heimliche Star des Stückes am Ende wieder. Allgemein ist hier zu sagen, dass mit diesem Tier der Regisseur Bastian Kabuth ein starkes, wenn nicht sogar sinnvolles Stilmittel gelungen ist, welches man hier auch gut als roten Faden des Werkes bezeichnen kann. Insgesamt ist die Idee, während der „Pausen“ kurze Szenen über eine Leinwand wiederzugeben, sehr gut gelungen, nur so lernt der Zuschauer, der sich nicht so sehr mit dem Stück bzw. der Thematik im Vorfeld vertraut gemacht wurde, die Charaktere und deren Absichten noch ein bisschen besser kennen, sollte ihm dies nicht schon durch die Charakterisierung der Schauspieler geglückt sein. Die gezeigten Szenen spiegeln das Gegensätzliche wieder, was die Figuren im Stück selbst durchleben. Eine Scheinwelt – so wie sie aus der Sicht des Optimisten auszusehen hat, so wie man sie sich vorstellen möchte, wenn das Stück ein Happy Ending hätte. Das Bühnenbild ist schlicht eine übergroße, zerknüllte Zeitung – sie soll zum einen ein Symbol für die Presse, für die Ludi hin und wieder als Karikaturist arbeitet, zum anderen aber auch die Unsicherheit, welcher der Journalismus in der aktuellen Situation ausgesetzt war. Prekarisierung und Unsicherheit sind Themen, die unabhängig von der aktuellen Corona-Situation nicht unangesprochen bleiben sollten, so leben nicht gerade wenige Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der Welt, unter solchen Umständen. Neben Armut ist es einer der gesellschaftlichen Themen, auf das man nicht so gerne angesprochen werden möchte, so misslich ist die Situation, in der man sich befindet. Das Stück von Dirk Laucke und die Inszenierung von Bastian Kabuth zeigen, was man sich in eben diesen Umständen für die handelnden Personen wünscht: Nur das Beste!

Das Stück „Nur das Beste“ ist auch in der kommenden Spielzeit 2020/21 am Theater Freiburg zu sehen!