EHC Freiburg – A Long Way To The Top

In Freiburg wird sportlich gesehen immer nur über ein Thema gesprochen: den SC Freiburg. Es gibt aber auch andere Vereine in der Stadt, die in ihrer Sportart einen guten Ruf genießen, bei den Bürgern jedoch nicht genug wertgeschätzt oder dem Sport-Club oft untergeordnet werden. Dazu zählt auch der EHC Freiburg, der aktuell in der zweiten deutschen Eishockeyliga spielt, in der Stadt und der Region Freiburg eine sehr große Anhängerschaft und genau dieselbe Vereinsphilosophie wie der Sport-Club hat. Doch wie groß ist das Standing dieses Vereins und dieser Sportart wirklich in Freiburg?

 

Seit 1984 gibt es den EHC Freiburg, der uns den Nationalsport Kanadas, Tschechiens und Russlands nach Südbaden gebracht und sogar einige Jahre in der höchsten deutschen Eishockeyliga, der DEL, gespielt hat. Eine
längere Tradition als der große SC haben die Wölfe Freiburg, wie sie auch oft genannt werden, ebenfalls vorzuweisen. Denn damals in den 80er Jahren, als der EHC gegründet wurde, war Eishockey die Sportart Nummer 1 in Freiburg, wie uns der aktuelle Chef-Coach Leos Sulak verraten hat. „Vom Fußball wusste man damals gar nichts und es war hier nicht so beliebt wie der EHC“, erzählt er uns. Auch Student Dennis Klatz, der schon seit ca. 13 Jahren Fan ist und seit etwa acht Jahren eine Dauerkarte hat, bezeichnet die Wölfe als Traditionsverein.
Es sei schon „eine tolle Sache, mit den geringsten Geldmitteln in der zweiten Liga zu spielen.“ Zudem ist für ihn auch die aktuelle Spielstätte, die Franz- Siegel-Halle, ein bisschen Tradition, auch aufgrund der familiären Atmosphäre auf den Rängen. Man kann also durchaus behaupten, dass das Familiäre beim EHC eine ganz wichtige Rolle spielt, auch in der Beziehung zwischen den Fans und der Mannschaft.

Familiäre Zustände, einmalige Fans und eine großartige Stimmung bei Heimspielen

Tobias Kunz, 27 Jahre alt und aktuell der vierte Spieler, der über 500 Spiele für den EHC Freiburg absolviert und sich mittlerweile zu einem Schlüsselspieler in der Mannschaft entwickelt hat, erzählt uns, dass er im Verein schon immer eine familiäre Atmosphäre vorgefunden habe und schon von Kindesbeinen an mit den Wölfen verbunden war. „Mein älterer Bruder hat damals mit Eishockey angefangen. Meine Eltern waren auch schon von Beginn an beim EHC dabei.“ Als er dann seinen Bruder bei dessen erstem Spiel für die Profimannschaft in der Halle sah, gab es für ihn nur eine Entscheidung: „Ich fang auch mit dem Eishockey an.“ Diesen Entschluss fasste er bereits mit drei Jahren. Weil er schon sehr früh damit angefangen habe, seien andere Sportarten nie wirklich eine Alternative für ihn gewesen. An die übermäßige Härte dieses Sports habe er sich gewöhnt, schließlich sei es mittlerweile sein Alltag.
Trotz einer Woche beim Kooperationspartner in Frankfurt gab es für Kunz nie einen anderen Verein als den EHC. „Damals hatte ich gerade mit meinem Studium angefangen und wollte deshalb nicht weg.“ Seine Arbeitsstelle bei der VAG kann er perfekt mit dem Sport vereinbaren. „Zu Training und Spielen bekomme ich dann immer frei“, erzählt er uns. Das Verhältnis von der Mannschaft zu den Fans bezeichnet er als „etwas sehr Spezielles“. „Es gibt immer einen Grundstock an Fans, die zu den Spielen kommen und hinter uns stehen. Allein dass sie in der letzten Saison in einer sportlich nicht so guten Phase von uns sogar zum Training gekommen sind und uns dabei angefeuert haben, fand ich einmalig.“ Der Trainer Leos Sulak findet die Fans des EHC „sagenhaft“.

„Sie stehen immer hinter uns und sehen das Ganze realistisch“. „Pfiffe gibt es sehr selten bei Heimspielen“, sagt uns der langjährige Fan Dennis. „Wie in einer Familie“ sei es hier, berichtet uns außerdem der Trainer. „Ein sehr gut geführter Verein, in dem man immer mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist und man immer versucht, aus den geringen Möglichkeiten das Beste zu machen.“ Bei einem Heimspiel durfte ich die so oft gelobte familiäre
Atmosphäre live erleben. Und auch wenn ich zwar seit 14 Jahren Fan des SC Freiburg bin, hat es mich beim EHC von der ersten Minute an derart mitgerissen, als wäre ich schon mindestens 15 Jahre dabei. „Allgemein sollte man unabhängig von der Sportart ein Spiel live im Stadion sehen, es ist einfach etwas Anderes als wenn man es im Fernsehen oder im Internet-Stream verfolgt.“, erklärt mir Dennis.

Die Zeit der Insolvenz, der Zusammenhalt der Mannschaft und Fanrivalitäten

13 Spieler des aktuellen Kaders, unter anderem auch Tobias Kunz, sind aus dem eigenen Nachwuchs. Ein Konzept, das der Verein schon seit seiner Gründung zu pflegen weiß. Es gab aber auch Zeiten, in denen denen der EHC finanziell sehr schlecht dastand. Bereits viermal mussten die Wölfe Insolvenz anmelden. „Das war damals eine komische Zeit, die wohl schwierigste in meiner bisherigen Karriere.“, erläutert uns Kunz. „Es gab Spieler, die zum Teil auch eine Familie hatten und bei denen man dann genau schauen musste, wie es weitergeht. Doch diese Zeit
hat unseren Zusammenhalt nie wirklich beeinflusst. Wir sind da noch enger zusammengerückt und es entwickelte sich ein stark ausgeprägter Teamgeist.“, erklärt er. Allein die Tatsache, dass sie ab August fast jeden Tag zusammen seien, sei für ihn ein großes Plus in dieser Hinsicht. Für Dennis ist die Insolvenz unter anderem ein Grund für die jahrelange Rivalität mit den Schwenninger Wild Wings. „Sie hatten deutlich mehr Schulden, aber wir mussten trotz
sportlicher Qualifikation für die nächste Saison in der DEL zwangsabsteigen, da sie die besseren Kontakte hatten. Das verzeihen wir ihnen nie.“, erzählt uns der glühende EHC-Anhänger. Gewalt jedoch gebe es zwischen Fans so gut wie gar nicht. Dennis findet am Eishockey gut, dass alles „direkt auf dem Eis geklärt wird“. Zudem liebe er das schnelle und technisch sehr versierte Spiel dieser Sportart.

In Tschechien beliebt, in Deutschland nur Randsportart

Neben dem Augenmerk auf den aktuellen EHC lohnt es sich auch, einen Blick in die Vereinsgeschichte zu werfen. Leos Sulak, der bereits als Sechsjähriger mit dem Eishockeysport begann, war früher selbst Spieler beim EHC und kam damals aus Tschechien nach Deutschland. „Bei uns in Tschechien waren Fußball und Eishockey damals auf einem Niveau, hatten das gleiche Ansehen, das ist heute auch noch so.“ Man könnte demnach behaupten, dass der ehemalige tschechische Mittelfeldmotor des SC Vladimir Darida in seiner Heimat genauso beliebt ist wie die landsmännischen Eishockeystars. Doch leider ist Eishockey in Deutschland nur eine Randsportart, was Sulak sehr schade findet. Aber wie lange kann man diesen stark körperbetonten und hochdynamischen Sport ausüben? „Es gibt
mit Jaromir Jagr aus Tschechien, der sogar noch mit 44 Jahren in der höchsten Liga Nordamerikas NHL spielt, gewisse Extreme.“, sagt uns Kunz. „Aber generell ist mit Ende 30 bzw. Anfang 40 Schluss.“ Ein wirkliches Vorbild habe der Außenstürmer nicht. Als Kind habe er wie jeder Nachwuchsspieler damals EHC-Legende Ravil Khaidarov aus Russland nachgeeifert. „Doch je länger man im Profigeschäft dabei ist, desto weniger hat man dann ein Idol“, erklärt er mir weiter.

 

 

Den Traum, den EHC irgendwann mal wieder in der DEL zu sehen, hat selbstverständlich jeder, auch Dennis. Seiner Einschätzung nach ist dies aber nur mit mehr Sponsoren und einer neuen Halle möglich. Zudem wurde der direkte Aufstieg 2006 abgeschafft, was es den Mannschaften seitdem schier unmöglich macht, in der höchsten deutschen Spielklasse mitzumischen. Es könnte nach seiner Aussage schon 10-15 Jahre dauern, bis dies in Freiburg wieder im Rahmen des Möglichen sei. Auch Sulak hofft sehr, den EHC in ferner Zukunft als Erstligist trainieren zu können. „Für mich ist Freiburg eine Eishockey-Stadt und gehört in die erste Liga.“ Abgesehen von der Mannschaft, dem Trainerteam und dem Vorstand sind alle anderen Verantwortlichen wie zum Beispiel Mannschaftsarzt oder auch Pressesprecher ehrenamtliche Mitarbeiter. Dies zeigt, dass Geld für sie nicht die Hauptrolle spielt. Hier ist jeder mit Herz bei der Sache. Zudem weiß jeder von ihnen, wie oft der EHC finanziell und sportlich am Boden lag und immer wieder aufgestanden ist. Die hervorragende Jugendarbeit, das ruhige Vereinsumfeld und die stets vorhandene Bodenständigkeit sind wichtige Pfeiler des Erfolges, die seit 1984 fest beim EHC in der Philosophie verankert sind. Die Jugendarbeit wäre folglich beim EHC schon länger im Vereinskonzept verankert als beim SC, der erst seit den frühen 2000ern die Jugendarbeit zu der wichtigsten Säule erklärte. Doch neben der hohen Begeisterungsfähigkeit der Fans sprechen auch die Tätigkeiten des EHC Freiburg, die weit über das Sportliche hinausgehen, dafür, dass dieser Verein es definitiv verdient hat, in Freiburg mehr Ansehen, Respekt und Anerkennung der Freiburger Bürger zu genießen.