Tatsächlich Liebe?

Hochzeiten sollen eigentlich der schönste Tag im Leben zweier Menschen sein. Dies wusste auch Wolfgang Amadeus Mozart, als er 1786 „Die Hochzeit des Figaro“ (it.: Le nozze di Figaro) schrieb. Das hieraus jedoch eine Oper entsteht, deren Thematik noch heute von Präsenz ist, hätte selbst er damals nicht gedacht. Der Andorraner Joan Anton Rechi hat dieses Meisterwerk der Musikgeschichte für das Theater inszeniert und konnte vergangenen Samstag seine Premiere feiern.

Eigentlich ist alles perfekt im Leben von Figaro und Susanna: sie arbeiten für ein das gräfliche Ehepaar und werden bald heiraten. Soweit so gut – wenn da nicht immer die ehelichen Streitigkeiten der Vorgesetzten wären. Genau diese Querelen machen den beiden schwer zu schaffen. Je näher ihr großer Tag kommt, desto schwieriger wird es für sie, aus diesen Verwirrungen zu entkommen und desto mehr wird ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Auch mit Betrachtung der Tatsache, dass im Laufe des Stücks selbst die Figuren untereinander Gefühle für den jeweils anderen entwickeln.

Opern über schwierige Beziehungen gibt es mit Verdis „La Traviata“ oder Wagners „Lohengrin“ zuhauf. Mozarts Stück „Die Hochzeit des Figaro“ jedoch nimmt diese Thematik ein wenig auf die Schippe, in dem er die schönen und lustigen Momente einer Liaison den schwierigen vorzieht. Dem nahm sich der andorranische Regisseur Joan Anton Rechi, beim Freiburger Publikum bestens bekannt für seine Inszenierung von „Love Life“, an und brachte dieses Werk zum ersten Mal auf die Freiburger Bühne. Was er dabei zauberte, war nicht nur ein sehr schön gespielte und gesungene, sondern auch eine in seiner Gesamtheit sehr stimmige und beeindruckende Inszenierung. Einen maßgeblichen Teil dafür trug das von Ektoras Tartanis brillant dirigierte Orchester. Nun mag man behaupten, dass es eigentlich logisch ist, dass die Musiker bei solchen Werken wie diesen immer eine perfekte Leistung zeigen. Dies ist jedoch nicht immer selbstverständlich, gerade bei der Tatsache, dass Tartanis hier seine Premiere als 1. Kapellmeister des Philharmonischen Orchesters gab und gerade eine Oper wie diese nicht die einfachste ist, um diese Premiere erfolgreich zu feiern. Trotz allem bewies er ein hervorragendes Gespür dafür, mit seiner Art und Weise die Musik nahezu durch das Stück zu tragen, genauso wie es Wolferl ebenfalls bei seinen Uraufführungen getan hat.

Das neben dem Orchester auch die Schauspieler bzw. Sänger bei dieser Inszenierung von sich aus zu überzeugen wussten zeigt, wie stark und qualitativ hochwertig das Theater in diesem Segment aktuell besetzt ist. Juan Orozco gibt dem Publikum einen sehr humorvollen wie leidenschaftlichen Figaro, dem nichts zu schade ist, um die Nebenkriegsschauplätze des Grafenpaares bestmöglich zu ignorieren und seiner Susanna einen unvergesslichen Tag bereiten will. Schauspielerisch übertrifft er sich hierbei nach seiner zweiten Titelrolle in dieser Spielzeit nach Verdis „Falstaff“ noch einmal selbst und zeigt formidabel, dass Operndarsteller primär auch auf schauspielerischer Ebene Höchstniveau abrufen müssen. Vor allem seine Soli verzücken den Zuschauer und lassen diesen gedanklich noch einmal selbst genau dasselbe Drama erleben, dass die beiden Protagonisten in diesem Stück durchstehen müssen. Die Figur der Susanna wird in Rechis Inszenierung wunderbar verkörpert von Katharina Ruckgabe. Auch hier sei neben ihrer gesanglichen Perfektion ihre schauspielerische Leistung stark hervorzuheben. Mit ihrem Auftritt hat man in manchen Szenen ein wenig das Gefühl, dass nicht Figaro, sondern ihre Rolle der Mittelpunkt des Stückes ist. Mit Michael Borth als Graf und Sarah Traubel als Gräfin sind die anderen beiden Rollen, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen, ebenfalls hervorragend besetzt, so geraten die Verwirrungen die ihre Figuren erzeugen, während der knapp dreistündigen Laufzeit des Stücks immer wieder auch zu solchen für das Publikum selbst, was keinesfalls als negativ gewertet werden soll.

Weiß wieder einmal als Protagonist zu brillieren: Juan Orozco (links) als Figaro / Bild: Rainer Muranyi

Hier zeigt sich vor allem Rechis inszenatorische Stärke, so gerät man immer wieder in ein Spinnennetz, bei dem man die Protagonisten sehr schnell miteinander verwechseln und ein – für eine komische Oper eher selten vorkommender -nie endender Spannungsbogen erkennen kann – Alfred Hitcock in Ehren! Es zeigt, wie turbulent und wahnsinnig Menschen werden können, wenn man sich für den schönsten Tag im Leben auf die Liebe versteift und sich dies sich am Ende möglicherweise als Trugschluss herausstellen kann. Rechis Darstellungsweise zeigt auch den ökonomischen  Wahnsinn, den man für eine solche Veranstaltung überwinden muss und dabei nicht drum herum kommt, das persönliche Verhältnis öfters infrage zu stellen. Wir bekommen durch das sehr aufwändige wie künstlerisch hochwertig gestaltete Bühnenbild von Sebastian Ellrich aufgezeigt, inwieweit sich dieser ökonomische und soziale Wahn für eine Hochzeit von Mozarts Zeiten im 18. Jahrhundert bis heute entwickelt hat – seien es unzählige Fernsehsendungen, auf die mehrfach wunderbar angespielt wird, oder auch das immens wachsende Angebot, sich über darauf spezialisierte Veranstaltungen darüber zu informieren. Beim ständigen Wandel der Bühne bekommt man so das Gefühl, dass sich das soziale Verhalten des Menschen in einem Teufelskreis befindet und sich währenddessen viel hinterfragen muss – auch, ob Beziehungen bzw. Hochzeit, in Anlehnung an Richard Curtis Klassiker, tatsächlich Liebe ist oder nicht.