Ich dende also bin ich

Gewohnt wortgewandt, virtuos, aber ungewohnt politisch kehrt Dendemann mit seinem dritten Soloalbum Da nich für! nach langer Pause auf die Bühne des Deutschrap zurück. Am Sonntagabend beehrte er das ZMF in Freiburg.

 

Er dendet noch immer. Dendemann hat lange auf sich warten lassen, bevor er mit seinem dritten Soloalbum wieder die Bühne betritt. Acht Jahre nach seiner letzten Platte Vom Vintage verweht und zwei Jahre nach seinem Abschied als Show-Rapper vom „Neo Magazin Royale“ (Böhmermann: „Wann kommt dein Album raus?“, Dendemann: „Übernächste Woche […] aber ich sach noch mal Bescheid lieber.“) lässt er in Da nich für! ungewohnt gesellschaftskritische Töne anklingen.

Nun kehrte Dendemann wieder auf das ZMF zurück. Nachdem der Berliner Rapper Anoki das Publikum angeheizt hatte, betrat endlich das Urgestein des deutschen Hip-Hops unter tosendem Applaus die Bühne des Zirkuszelts. Dendemann wurde begeleitet von einer Live-Band, die in Echtzeit „die Beats nachbauten“, wie er kund gab. Und das taten sie meisterhaft. Eben einer Legende würdig.

 

Hat auch noch mit 45 das Mic fest im Griff: Dendemann

 

Der Titel Da nich für! assoziiert ein bescheidenes Abwinken, aber in seinem neuen Album bezieht er derart Position, wie aktuell sonst keiner in der deutschen Musikszene. Sein drittes Album ist ein wichtiges geworden. Wichtig nicht nur weil Dendemann wie immer mit sprachlich ausgefeilten Reimen und Wortspielen jongliert. Nein, auch weil es in einer Zeit erscheint, in der politische Statements dringend nötig sind. Im Gegensatz zum aktuell erfolgreichsten Rapper Capital Bra oder zur Diskussion um Kollegah und Farid Bang beim Echo vergangenen Jahres, beleuchtet Dendemann jene Seiten des Deutschraps, die bei Capital Bra gar nicht erst Thema werden und bei jener Auschwitzinsassen-Kontroverse um den „Boss“ verdunkelt wurde.

Der Boden bebt

Obwohl politische Ansätze in Dendemanns Werken sonst Fehlanzeige waren, könnte man angesichts der jetzigen politischen Ankläge überrascht sein. Doch er hatte während seinen fast 2 Jahren beim Böhmermann genug Zeit zum üben, indem er zu Beginn der Sendung einen an das Sendungsthema angelehnten Zweiminüter rappte.

In Songs vom neuen Album erklärte Dendemann dem Publikum nun, er sei Müde „von den Rechten, den Faschos, den Naziparteien/ den Sexisten, den Machos und Spastivereinen“. Schade nur, dass er dem ganzen durch den behindertenfeindlichen Ausdruck einen faden Beigeschmack gibt. Doch niemand möchte ihm hier etwas ernsteres als eine unglückliche Wortwahl unterstellen. In Zeitumstellung bringt er seine politische Haltung klar auf den Punkt: „Wenn die Demokratie ihren Segen verflucht/ ist dagegen wohl nicht mehr dagegen genug.“ Daneben packt er mit wortgewandten Überleitungen alte Klassiker wie Endlich Nichtschwimmer und Stumpf ist Trumpf aus. Das Publikum spielt verrückt. Der Boden bebt.

Wortwitzig und leichthändig konnte Dendemann schon immer unspektakuläre Alltagsszenen aufbereiten. Das zeigte er schon mit Ichso, Er so 1998, damals noch gemeinsam mit Rabauke als Duo unter dem Namen „Eins Zwo“. Sein erstes Soloalbum Die Pfütze des Eisbergs erschien 2006, fiel jedoch in eine Zeit, in der Bushido und Sido des Ton im Rapbusiness angaben. Mit Vom Vintage verweht ließ Dendemann 2010 rockige Töne anklingen, die seiner doch eher sensiblen Art Texte zu formen nicht so gut standen. Auf Da nich für! scheint er die Lust an der Tradition wiedergefunden zu haben, indem sich Schnipsel aus den Neunzigerjahren mit jazzigen Beats vermischen. Im Vergleich zu früheren Werken geht Dendemann geradliniger zur Sachen und sucht zur den Botschaften der Songs passend den direkten Weg zu Hörer. „Ja, unser Rückgrat ist stufenlos verstellbar/ Haare in der Suppe, wir rufen bloß den Kellner“ kritisiert er in Keine Parolen, wie schon in Weniger Ist Mehr vor mehr als 20 Jahren: „Ich will kein‘ guten Willen/ ich will Rückgrat sehen“.

Als Dende nach dem letzten Song von der Bühne verschwindet, folgt ein minutenlanger Applaus, bis er unter Zugabe-Rufen Sach ma geht’s noch zum Besten gibt und sich dann unter tosendem Beifall endgültig verabschiedet. Und das Licht geht aus.