„Fado ist eine Art Lebensweise“ – Interview mit der portugiesischen Sängerin Carminho

Sie ist eine der bekanntesten und besten Fado-Sängerinnen ihres Landes. Die freistuz hat Carminho vor ihrem Konzert im Spiegelzelt zu einem exklusiven Interview über Fado, portugiesische Musik, Musikpreise und den Druck im aktuellen Musikgeschäft getroffen.

Wie bist du dazu gekommen, Musikerin zu werden?

Es wurde mir quasi in die Wiege gelegt, da meine Mutter als Sängerin arbeitete und meine Geschwister und ich immer großen Spaß daran hatten, gemeinsam zu singen, des Weiteren hatte meine Mutter ein Fado-Haus. Zudem dachte ich, dass es alles sehr einfach sein würde. Ich absolvierte einen Gesangskurs an der Universität, war jedoch nicht glücklich damit. Somit beschloss ich, ein bisschen Taschengeld mit Singen in Fado-Häusern zu verdienen. Ich bin ein Jahr alleine um die Welt gereist, habe Freiwilligenarbeit geleistet und Dinge über mich selbst und andere Leute in der Welt entdeckt. Schlussendlich habe ich mich dazu entschieden, Musikerin, genauer Fado-Sängerin, zu werden. Da war ich gerade 25 Jahre alt.

 

Was hättest du getan, wenn du nicht zur Musik gekommen wärst?

Ganz ehrlich, dass weiß ich nicht. Darauf habe ich ehrlich gesagt keine Antwort.

 

Welches sind deine persönlichen, musikalischen Vorbilder?

Für einen Musiker ist es sehr schwierig, Vorbilder zu haben. Es ist aus verschiedenen Dingen besser, Referenzen zu haben. Wir haben Referenzen, weil diese entweder sehr virtuose und beeindruckende Musiker sind, die durch ihre Stimme oder ihr Instrument begeistern oder weil sie eine tolle Weltvision, eine gute Botschaft für andere Menschen haben. Da gibt es viele sogenannte Idole, die ich in meinem Leben habe. Eine davon ist meine Mutter, sie ist die erste Referenz. Zudem habe ich viele Vorbilder im Fado, wie zum Beispiel Mario Rodrigues oder Beatrice de Conceçao, die mich sehr beeinflusst haben in meiner musikalischen Entwicklung. Ich habe aber auch viele internationale Musiker wie die Beatles, Queen oder Peter Gabriel, die allesamt gut darin waren, verschiedene Musikgenres zu mischen und den Menschen in der Welt dadurch eine gute Botschaft zu überbringen. Zu guter Letzt haben mich auch Cat Stevens, die klassische Sängerin Maria Calla, Tom Jobim, all die brasilianischen Sänger und Komponisten sehr in meinem musikalischen Werdegang beeinflusst.

 

Welche Musik außer Fado hörst du sonst noch so?

Das ist unterschiedlich. Eigentlich ist es ein bisschen von allem. Ich mag es, andere Musik zu hören. Mein letztes Album war ein Bossa-Nova-Album, weshalb ich auch sehr gerne diese Musikrichtung höre. Ich mag aber auch klassische Musik, Pop und Rock, alten Standard-Jazz und auch spanische Musik wie ein paar Flamenco-Gruppen. Es gibt viel Musik, die ich mag.

 

Was ist das Besondere am Fado?

Das spezielle am Fado ist, dass es nicht eine Art Musik, sondern vielmehr eine Lebensweise ist. Leute, die Fado singen sind Menschen, die in Portugal geboren sind, tief mit der Sprache verwurzelt und mit älteren Menschen und deren Erfahrungen groß geworden sind. Sie haben von diesen Menschen Empfehlung und Ausbildung erhalten. Es gibt nämlich keine Schulen oder Bücher welche einem sagen, wie man Fado singt. Ein weiterer, wichtiger Aspekt in diesem Musikstil ist die Wahrheit. Wenn du ein guter Fado-Sänger bist, dann singst du über das, woran du wirklich glaubst. Du musst es so singen, als wäre es das letzte Mal.

 

Für diejenigen, die nicht so viel über portugiesische Musik wissen: welche Musikgenres gibt es in Portugal bzw. der portugiesischen Sprache?

Ursprünglich haben wir zwei traditionelle Stile mit dem Fado und dem Cante Alentejano, eine Art portugiesischer Folk-Rock. Des Weiteren gibt es auch viel Folklore, unterschiedliche Stile von den Inseln und verschiedenen Regionen des Landes. Wir drücken uns selbst durch unsere Tänzer, Sänger und Komponisten aus. Hierfür gibt es Gemeinschaften, die so etwas als Gruppe machen. Wir haben aber auch unglaublich gute, portugiesische Singer-Songwriter, Pop/Rock-Sänger oder experimentelle Musiker. Die Welt ist sehr offen für portugiesische Musik.

 

Was ist deine Meinung über den großen Erfolg von Michel Teló?

Speziell der Song „Ai Se Eu Te Pego“ sind Dinge, die man schnell wieder vergisst. Ich persönlich aber habe seit 2 Jahren nichts mehr von ihm gehört, kann deshalb auch schwer etwas zu seinem Erfolg sagen.

 

Was magst du am meisten am Musik machen?

Es ist eine Art Ausdruck. Anders ausgedrückt ist es eine Art und Weise des Überlebens. Ich muss meine Gefühle, was ich denke und was ich glaube ausdrücken können. Dieses Instrument, um all das auszudrücken, habe ich in der Musik gefunden. Für mich ist es etwas Lebenswichtiges.

„Ein guter Fado-Sänger singt über das, woran er glaubt.“ (Carminho)

 

Wie kam es dazu, dass du nun auf dem ZMF spielst?

Es ist ein laufender Prozess. Es sind jetzt schon acht Jahre, seit ich in Deutschland Konzerte gebe und toure. Ich hatte Kontakt mit dem Veranstalter dieses Festivals (Alexander Heisler; Anm. d. Redaktion), der viele verschiedene Stile an unterschiedliches Publikum wie dem Publikum, das gerne ins Theater geht, weitergeben möchte. Wir sind sehr stolz, auch dieses Jahr wieder in seinem Programm zu sein, zumal es allgemein nicht das erste Mal ist, dass ich im Spiegelzelt auftrete. Ich bin sehr glücklich, wieder in Freiburg sein zu dürfen, insgesamt ist es mein fünfter Auftritt in dieser Stadt.

 

Hast du schon, außer in Deutschland und Portugal, auf anderen Musikfestivals gespielt?

Ja, natürlich. Ich bin schon in England, aber auch in Australien, Neuseeland, Indien, Südkorea, Argentinien, Chile, Kolumbien, China sowie in ganz Europa aufgetreten. Nächste Woche habe ich einen Auftritt in Polen. Es gibt viele verschiedene Festivals, auf denen ich auftrete.

 

Schreibst du all deine Songs selbst und wenn ja, wie schwierig ist es, diese zu schreiben?

Ich schreibe nicht alle Lieder selbst. Ich habe nur ganz wenige davon und die Musik dazu geschrieben. Beim Fado ist es mit sehr viel Emotionen verbunden, Gedanken und Dinge, die man auf Papier schreiben und in Musik umwandeln möchte, fertig zu stellen. Ich arbeite auch immer wieder, und das ist sehr wichtig für mich, an der Rekreation von alten Liedern, die ich vergessen habe. Diese sind sehr alt und trotzdem möchte ich auch diese für ein größeres Publikum spielen können.

 

Was ist deine Meinung zu Musikpreisen heutzutage und welche Bedeutung haben diese für dich?

Musikpreise bringen Menschen dazu, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nichts mit Musik zu tun haben. Wenn du jemanden hast, der deine Arbeit anerkennt, ist das sehr beeindruckend. Ich mache mir jedenfalls nicht so viel aus diesen Preisen. Musik braucht so etwas nicht, um zu überleben. Wir brauchen nur die Motivation, neue Dinge zu schaffen.

 

Was meinst du: wie hart ist es heutzutage im Musikgeschäft?

Es ist sehr hart, da es immer Veränderungen gibt. Wir müssen uns der Art und Weise öffnen, wie sich die Dinge ändern. Musik verändert sich nicht, die Welt jedoch schon. Wir müssen uns darum bemühen, Musiker zu unterstützen, von deren Musik behauptet wird, dass sie nicht gut sei. Schlussendlich müssen wir auch glücklich darüber sein, so viele unterschiedliche Künstler und Musikstile zu haben.