„Poetry Slam etwas sehr bunt Gemischtes, womit man überraschen kann“ – Interview mit Julia Engelmann

Sie ist, was Poetry Slam in Deutschland angeht, einer der bekanntesten Künstlerinnen und macht seit kurzem mit Poetry Slam in Einklang mit Liedern auf sich aufmerksam. Die freistuz hat Julia Engelmann kurz vor ihrem Auftritt beim ZMF getroffen.

 

Wie bist du eigentlich zum Poetry Slam gekommen?

Zufällig, als mich damals eine Freundin mitgenommen hat. Ich wollte schonmal mit der Schulklasse hin, hab es dann aber leider verpasst hinzugehen und dies dann nachgeholt. Später saß ich dann im Publikum und dachte mir: „So etwas möchte ich auch mal machen.“ Mit 17 habe ich dann angefangen.

 

Was hättest du gemacht, wenn du gar nicht mit dem Poetry Slam angefangen hättest?

Ich wollte mal Schauspielerin werden und irgendwann mal Psychologin. Wobei mich auch die Literatur schon immer interessiert hat. Einmal selbst etwas zu schreiben hätte mich auch sehr gereizt.

 

Was ist deiner Ansicht nach das Besondere am Poetry Slam bzw. was unterscheidet es von Musikern mit Band?

Erst einmal glaube ich, dass die Übergänge zwischen den Disziplinen in der Kunst sehr, sehr fließend sind. Ich glaube, da kann es viel mehr Unterschiede in einem Musikstil geben, als vielleicht in zwei Ansätzen von Künsten. Für mich ist Poetry Slam etwas sehr bunt Gemischtes, womit man überraschen und wobei jeder mitmachen kann, wofür man einfach nichts braucht, außer dem Wunsch mitmachen zu wollen. Das heißt, dass man leichter einsteigen kann, wenn man jetzt gerade kein Instrument braucht.

 

Wer sind in Deutschland oder international deine Lieblings-Slammer*innen?

Ich bin mit dem Slammer-Metier und dem „Kampf der Künste“ in Hamburg (Organisation von Künstlern, die regelmäßig Poetry Slam-Shows auf die Beine stellt; Anm. d. Redaktion), wo ich früher sehr viel aufgetreten bin, sehr verbunden. International lese ich unglaublich gerne Walt Whitman, Dorothy Parker oder auch Yoko Ono.

 

Wie schwierig ist es deiner Meinung nach, für Slam-Texte die passenden Worte zu finden?

Oft schreibe ich einfach erstmal das, was mir in den Kopf kommt, was mich im Moment beschäftigt. Weniger einfach ist es dann, eine passende Formulierung zu finden. Zuerst einmal sollte man sich klar werden, an wen man sich richten möchte und was die eigentliche Message sein soll. Ich würde sagen, es ist weder schwierig, noch ist es einfach, aber eines ist es in jedem Fall: aufwändig.

 

Es gibt viele Künstler, die bei ihren Konzerten wie einige Poetry Slammer*innen auch ohne Band auskommen und mit vielen verschiedenen Instrumenten bzw. Loops für eine eigene „Band“ bzw. ein besonderes Konzerterlebnis sorgen. Der Brite Jacob Collier ist ein bekanntes Beispiel dafür. Wie findest du diese Art von Musikern?

Ich finde das super. Ich finde erstmal jeden, der irgendwie ein Konzert kreieren kann toll und habe Respekt davor. Ich messe das jetzt für mich nicht auf die Art „Wieviel wird da jetzt gleichzeitig gemacht“ oder „Gibt es da jetzt eine Band“ oder sowas. Mich sprechen Kunst, Musik oder Texte an, wenn sie sich ehrlich anfühlen, eine Botschaft haben und ich etwas damit anfangen kann. Das mag ich am meisten.

„Mich sprechen Kunst, Musik oder Texte an, wenn sie sich ehrlich anfühlen, eine Botschaft haben und ich etwas damit anfangen kann.“ (Julia Engelmann)

Warum treten, sowohl in Deutschland, als auch international, immer mehr Poetry Slammer*innen, auch du, mit Bands auf? Das braucht es doch eigentlich gar nicht, oder?

Ich glaube, das ist eine Frage, die ich gar nicht stellen würde. Übergänge zwischen Menschen, die Texte und Musik schreiben, waren schon immer fließend. Leonard Cohen ist da ein sehr gutes Beispiel dafür. Ich zum Beispiel illustriere auch meine Gedichte. Ich finde, dass alles das, was man ausdrücken will, ein Recht hat, auf der Bühne zu sein.

 

Wie bist du auf das Zelt-Musikfestival Freiburg gekommen?

Ich bin eingeladen worden, hier aufzutreten und habe bisher nur sehr schöne Sachen über Freiburg gehört (lacht). Freunde, die mir das ZMF empfohlen haben, habe ich dann auf meinen Auftritt hier verwiesen.

 

Was ist deine Meinung über Musik-/Künstlerpreise? Braucht es das heutzutage überhaupt noch?

Da weiß ich nicht, ob ich die Richtige dafür bin, um eine alles umfassende Antwort darauf zu geben, weil ich keinen Preis verleihe. Ich finde es immer schön, wertzuschätzen, was jemand macht. Nicht nur in der Kunst, für jeden Menschen. Ich finde es in jedem Mikro- und Makrokosmos wichtig, wertgeschätzt zu werden. Das muss man nicht immer mit einer Medaille oder einem Preis.

 

Poetry Slam gilt ja bei Studenten als sehr beliebt. Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür?

Für mich ist Poetry Slam schön, weil es, wie schon erwähnt, sehr abwechslungsreich und überraschend ist. Es hat irgendwie etwas Demokratisches: das Publikum bestimmt den Gewinner, jeder kann mitmachen. Ich finde, da gibt es viele Aspekte, die ziehen. Es ist ein schöner Weg, sich als Autor, als jemand der auf der Bühne steht, auszudrücken. Man kann da sehr viel über sich und andere lernen.

 

 Wie schwer hat es der Poetry Slam deiner Meinung nach gegenüber normalen Musikern?

Auch hier würde ich sagen, dass man das nicht gegenüberstellen muss. Die Frage stellt sich ja dann auch für mehr Leute. Jeder Mensch, der etwas Kreatives ausdrücken möchte, braucht vor allem Lust darauf, bestimmt auch Disziplin und eine Prise Glück und dann ist das Ganze im Grunde genommen