Freistuz goes Oscars – die Online-Kolumne zum wichtigsten Filmpreis der Welt

Heute: Bester Film

Der Hauptpreis, die Königskategorie oder wie man es im Fachjargon der Oscar-Experten auch nennt: The Big Fish. Wer diesen Preis gewinnt, reiht sich ein in einer Kategorie mit Meisterwerken wie „Ben Hur“, „Casablanca“, „Der Pate“, „Lawrence von Arabien, „Schindlers Liste“, oder „Gladiator“. Die Tatsache, dass dieses Jahr alle Filme überwiegend aus dem Streaming-Bereich kommen, überrascht in Zeiten von Corona keinen mehr. Auch dass Netflix, Amazon und Co. hochwertige Stoffe produzieren können, ist nichts Neues. Das heißt aber noch lange nicht, dass auf Dauer nur Streaming-Filme die Königskategorie bekleiden werden. Dafür ist die Anziehungskraft und die Magie des Kinoerlebnisses zu groß. Welcher Streaming-Riese hat den tatsächlich besten Film produziert und holt sich am Ende der Verleihung den Big Fish?

Nominierte

The Father

Judas and the Black Messiah

Mank

Minari – Wo wir Wurzeln schlagen

Nomadland

Promising Young Woman

Sound of Metal

The Trial of the Chicago 7

Mein Favorit: Nomadland

Es ist keine Dokumentation, es ist kein Film, es ist weitaus mehr. „Nomadland“ ist eine Erfahrung. Eine Erfahrung, die das Leben eines Individuums nachhaltig verändern kann. So auch Fern, die sich sehr spontan dazu entscheidet, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und fortan als Nomadin in ihrem Wohnwagen durch die Gegend zu reisen. Ohne festen Wohnsitz, ohne bestimmtes Ziel, aber immer mit einem ganz bestimmten Vorhaben: Freundschaften für’s Leben schließen, Banden für’s Leben knüpfen. Allein diese Entscheidung, als Nomade oder Nomadin zu leben, nötigt einem Menschen gehörigen Respekt für den anderen, so gibt man doch all das auf, für das man in seinem Leben bisher hingearbeitet hat. Regisseurin Chloé Zhao hat zumindest bei mir erreicht, dass ich mein Leben noch einmal gründlich überdenken muss. Der Film hat dazu beigetragen, das ich mein Leben und all das, was man dafür braucht, noch mehr wertschätze als zuvor. Er hat mich auch dazu animiert, später vielleicht einmal selbst eine solche Reise zu unternehmen – ob es meine Mitmenschen wollen oder nicht. „Nomadland“ schafft es, uns eine Welt zu zeigen, die abseits des Mainstreams existiert, in der es möglich ist, in der es möglich ist, anders zu sein und trotzdem als Gemeinschaft zu leben. Hierzu trägt auch die Entscheidung von Zhao, wie schon bei „The Rider“ den Film größtenteils mit Laienschauspielern aus dem jeweiligen Milieu zu drehen, maßgeblich bei. Es verleiht ihm eine Authentizität, wie ich sie in keinem der anderen nominierten Filme gesehen habe. Ein Pluspunkt, der den Film am Ende zum großen Gewinner der diesjährigen Verleihung machen könnte. Ohne die anderen Nominierten zu schmälern bin ich in dieser Kategorie einer Meinung mit dem Trend der letzten Wochen und gehe fest davon aus, dass „Nomadland“ den Oscar für den besten Film gewinnen wird. Ein Film, der das Anderssein und Diversität auf seine Art und Weise feiert und für den es sich wahrlich lohnt, ihn in seiner gesamten Schönheit auf der großen Leinwand zu beobachten sobald es wieder möglich ist. Vielleicht die erste Erfahrung, die den Big Fish an Land ziehen könnte. Die Verleihung heute Nacht wird es zeigen.

Könnte dieses der große Gewinner in der Königskategorie werden: Chloé Zhaos „Nomadland“